Von Christian Walter
Einmal mehr steht eine Gerichtsentscheidung zum Thema Religion im Mittelpunkt einer öffentlichen Debatte. Die Diskussion um die Beschneidung minderjähriger Jungen hat sich inzwischen weitgehend vom strafrechtlichen Ausgangspunkt der Entscheidung des Landgerichts Köln gelöst. Es geht nun viel grundsätzlicher um die integrationspolitischen Wirkungen des Urteils, das Verhältnis der säkularen staatlichen Rechtsordnung zu religiösen Riten und natürlich auch um das deutsch-jüdische Verhältnis. Und wer wollte es den Betroffenen verdenken, dass sie das Urteil in dieser grundsätzlichen Dimension sehen? Das Strafrecht ist das schärfste Schwert, das der öffentlichen Gewalt im Rechtsstaat zur Verfügung steht. Eine strafrechtliche Verurteilung kann nicht nur besonders einschneidende Sanktionen nach sich ziehen, sondern sie brandmarkt vor allem auch die bestrafte Handlung als für die Gesellschaft völlig inakzeptabel. Trifft ein solches Unwerturteil einen zentralen, ja, den der christlichen Taufe vergleichbaren identitätsbegründenden Ritus einer Religionsgemeinschaft, so müssen sich deren Mitglieder zwangsläufig gesellschaftlich ausgegrenzt fühlen. Das ist die Situation, in der sich viele Juden und Muslime in Deutschland derzeit befinden.
leggi il resto ›